42.2025 Ich bin Gebet

 

BETENDER RUF

 

Die Erlebnisse, die Lebensstile und die Arten und Weise zu leben, verstreichen im Zeichen der Abhängigkeiten. Ein Zeichen, das mit sich bringt, dass man den Vorschriften derer unterworfen ist, die sich das Recht erteilten haben – und es wurde ihnen gewährt – die Kultur, die Mode, die Spiritualität, die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Politik, Gastronomie zu lenken...

Nein, es gibt keinen Raum, in dem es nicht zumindest einen „Trend“ gibt, dem sich das Wesen von vornherein verpflichtet sieht. Verpflichtet, darauf zu reagieren, sich zu entscheiden, ob es diesen Weg einschlagen will oder nicht, ob es sich kümmern möchte (span.: ‚estar pendiente‘)... – was letztendlich zu Abhängigkeit(span.: ‚estar pendiente‘) führt.

Wie man sich vorstellen kann, ist es unmöglich, von allen Trends abhängig zu sein. Also flüchten sich die Menschen in bestimmte Abhängigkeiten, abgesehen von den bereits bekannten wie Alkohol, Drogen ...

Sex...? Das müsste man sehen.

Tatsache ist, dass diese gekidnappten Einstellungen dazu führen, dass die Originalität jedes Einzelnen praktisch ... nicht mehr existiert. Denn man muss der Abhängigkeit folgen, dem Trend, den die großen Parfümhersteller, die großen Lebensmittelkonzerne, die großen Modemarken ... auf die eine oder andere Weise vorgeben.

Es ist mehr als nur eine Einschränkung der Freiheit. Ja, denn in den Abhängigkeiten wird mit dem Vergnügen gespielt: diesem dunklen, klaren, hell-dunklen Verlangen... das schließlich süchtig macht und ein Gefühl unzähliger Formen des Wohlbefindens hervorruft.

Und jetzt schauen Sie mal: abhängig von diesem oder jenem Kugelschreiber, abhängig von dieser oder jener Zahnpasta, abhängig von den „Tín”-Nudeln, abhängig vom „Kuan”-Laden... Das wird langsam beunruhigend, nicht wahr?

Und das Beunruhigendste daran ist, dass sich ein unkalkulierbarer Prozentsatz der Menschen dessen nicht bewusst ist.

Er wird süchtig nach einer Automarke, einer bestimmten Weinsorte, einem...

Und wenn man ihn wirklich eingehend fragen würde:

„Aber warum, warum ...? Hast Du andere Möglichkeiten in Betracht gezogen oder ...?”

.- Nein, nein, ich habe schon immer das getrunken.

.- Ah! Aber hast Du keine andere Sorte probiert...?

.- Nein, das ist nicht nötig. Diese hier schmeckt mir, und basta.

.- Das heißt, man könnte sagen, wenn Du nicht in New York warst, existiert New York nicht.

.- So ungefähr.

.- Klar. Nun, Bangladesch hat natürlich nie existiert!

.- Mensch, natürlich, wo ist das denn?

.- Klar. Nein. Stimmt. Wo ist das denn...!

 

Es gab eine Zeit in unserer Spezies – der europäischen –, in der man von „Enzyklopädismus” sprach. Es gab Enzyklopädien. Und sicherlich hat unter uns hier mehr als einer den Verkauf von Enzyklopädien zu seinem Beruf gemacht. Natürlich, ohne sie gelesen zu haben. Aber gut, alles, was man wusste, stand dort, und basta. Aber das hielt nicht lange an... Der Enzyklopädismus hielt wirklich nicht lange an. Bald stellte sich heraus, dass es Enzyklopädien über Enzyklopädien über Enzyklopädien über Enzyklopädien gab, über jede der „Neuheiten” – in Anführungszeichen –, die für irgendjemanden interessant sein könnten.

Damit entstanden Spezialgebiete, was die Abhängigkeiten sehr erleichterte. Das Wissen wurde stark fragmentiert, der eine wusste über Meeresböden Bescheid, der andere über Darm Mikrobiotik, ein weiterer über Eisen... und so weiter und so fort. Die Abhängigkeiten wurden etabliert und ihr Einfluss verbreitete sich.

Natürlich! Stellen Sie sich vor: Mit dieser Propaganda, die jedes Sehen, jede Lektüre, die wir heute konsumieren, massiv überschwemmt werden wir wahrscheinlich finden ... – es sei denn, wir wollen etwas ganz Bestimmtes, das unsere Spiritualität belebt.

Und dafür dient uns ein Knopf: das Neueste über dieses Konzert auf dem Petersplatz, in der mächtigsten Religion der Welt[1]. Es ist eine Form, mehr Publikum und mehr Zustimmung zu gewinnen.

Ja, von Zeit zu Zeit ein Gebet, das ist gut, aber das war's dann auch schon! Es ist nur ein weiteres Beispiel, nicht wahr? Wir werden deswegen nicht unsere Kleider zerreißen. Natürlich nicht. Das fehlte noch! Wir wären Anhänger, Zugewiesene und Abhängige, und das wollen wir nicht.

Der Betende Ruf versetzt uns zumindest – „zumindest” – für einen Augenblick in einen Zustand, uns als Gebet zu fühlen. Einen Augenblick.

„Ich bin Gebet. Und mit ihm komme ich wieder zu Kräften.

Ich bin Subjekt, Verb und Prädikat, und damit baue ich mich neu auf.

Ich bin Gebet... und ich weiß nicht, was ich bin, aber ich fühle mich ohne Druck; ich erkenne mich in einem Eingetaucht sein wieder, in dem mich alle ansehen und gleichzeitig niemand.

Ich bin Gebet und... ich sehe von mir ab. Ich habe keine Gründe, ich suche keine Erklärungen, ich strebe weder Einkommen noch Vorteile an. Ich komme nicht, um zu bitten, ich komme, um zu horchen, zu sehen, zu hören, zu riechen..., um mit meiner Sensibilität zu berühren, mit wem ich da bin.

Ich bin Gebet, und die Sorge… löst sich auf. Das Schöpfer Mysterium ist da, und ich bin in IHM!

Ich bin Gebet, und ich habe es nicht eilig... Die Stille stärkt mich. Ja. Und gleichzeitig schmerzt mich alles, was schmerzt... aber ich beklage mich nicht.

Ich bin Gebet, und ich fühle mich... manipuliert, ich fühle mich transformiert, ich fühle mich berücksichtigt; mit Sorgfalt!

Ich bin Gebet, und ich habe keine Angst.

 

Ja. Ein Moment des Gebets kann irgendwie so etwas sein.

Es hat uns nicht viel Zeit gekostet. Gewiss hat es nicht „etwas” für uns gelöst. Nein.

Es hat uns alles gegeben.

Aber man muss aufmerksam sein, ohne Ansprüche, ohne Ambitionen... Obwohl es logisch ist – ja, es ist logisch –, mit Schmerzen, Sorgen, Ängsten, Verzweiflung in den Tempel zu gehen... und das Höchste zu bitten, uns von dieser schweren Last zu befreien.

Als ob ES das nicht wüsste...

Es scheint, als müsse man darauf bestehen, dass einem Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Das ist eine armselige Vorstellung vom Schöpfer Mysterium.

 

 

Ja. Es stimmt, dass es Erleichterung und Hoffnung bringt, all die schweren Unannehmlichkeiten des Alltags loszulassen, damit sie – plopp! – plötzlich verschwinden. Aber wie wenig denkt man über die mysteriösen Pläne der Schöpfung nach. Wir werden sie natürlich nicht erfahren, aber wir können ahnen, dass wir Teil dieser Pläne sind. Und allein dieses Wissen ermöglicht es uns vielleicht, über unsere Haltung als Menschen gegenüber Neid, Wut, Ungerechtigkeit, Gerechtigkeit, Vorurteilen ... und all den anderen Dingen nachzudenken, die den Kampf der Krieger des „Planeten Krieg” am Leben erhalten.

Vielleicht können wir einige Muster ändern – die einfachsten – „Im Namen von...” dem Schöpfer Mysterium, denn seine Schöpfung hat uns nicht dazu geschaffen, um in Neid, Tragödie, Drama, Wut, Unbehagen, Kritik zu leben... Nein, nein, nein, nein, nein, nein. Nein. Das erscheint uns schon als normal.

Das ist eine Aberration.

Unsere Aufgaben liegen darin... selig, gütig, großzügig, freundlich, dienend zu sein. Denn in ihnen werden alle Tugenden möglich, und in unserem Dienst gibt es alle Möglichkeiten zu entdecken, zu lernen…!

Verdammt noch mal! Wenn man sich im „Schau mich an und fass mich nicht an”-Modus befindet: „Nein, mit Dir nicht”, „nein, der ist so”, „nein, der andere ist so”, „was kann man von dem schon erwarten…?” Nein, so nicht.

Das ist aberrant.

 

Diese Neigung zur persönlichen Wichtigkeit, dieser Anspruch auf Priorität, diese getarnte Ego-Selbstverherrlichung, basierend auf Rechten und... in einer permanenten Forderung und Beschwerde ist zerstörerisch.

„Mon Dieu!“ Kläre Deine Abhängigkeiten, ändere Deine Vorurteile, zeige Deine Freundlichkeit, schämst Du Dich nicht für deine unsolidarische Präsenz? Kläre Deine Motive, akzeptiere Deine Veränderungen ...

Sei nicht der Herr oder die Dame, denen man nichts sagen kann, weil sie sonst wütend werden.

Das ist Schäbigkeit.

 

Und habe auch den Mut zu sagen und zu denken: „Nun, und wenn er wütend wird, dann ... wird er sich eben beruhigen müssen. Denn zwischen wütend werden und nicht wütend werden ist es am besten, nicht wütend zu werden, und wenn man wütend werden muss, dann wird man eben nicht wütend.“ Das ist doch einfach, oder?

Ich wiederhole:

Zwischen wütend werden und nicht wütend werden ist es am besten, nicht wütend zu werden; und wenn man wütend werden muss, wird man eben einfach nicht wütend.

Und man überrascht die Leute:

- Ah, ich glaubt, ich dachte ...

- Nein. Also nein. Also nein.

- Man hatte mir gesagt...

- Ah! Nein. Das widerspricht sich.

 

Das heißt also, dass man doch etwas tun kann! Denn das ist eine weitere Rechtfertigung:

- Man kann nichts machen. Es ist unvermeidlich. Ich bin nun mal so.

- Wie bitte?

- So.

- Wie langweilig! Seit wann ist das Leben langweilig? Schämst Du Dich nicht ...?

 

Ja. Hinterher geben wir den Genen, dem Genom die Schuld. Früher gaben wir – immer noch – den Eltern oder Großeltern die Schuld. Früher zum Beispiel Franco. Er war für alles verantwortlich. Es kommt darauf an. Jetzt ist Pedro schuld. Ich weiß nicht. Wir haben immer einen Sündenbock.

Deshalb ist die Theorie, dass der Mensch ein Tier ist, vielleicht gar nicht so abwegig: Manchmal ist er ein Ziegenbock, manchmal eine Kuh, manchmal ein Tapir... – wir machen es etwas schwieriger, damit sie nachschlagen müssen.

Ja, genau... Man lehrt uns die Evolution und wir schlucken sie ganz und gar. Das schon: Sie ist vorbei.

 

- Ah! Und warum ist sie vorbei? Ist sie wirklich vorbei?

- Ja, ja, sie ist vorbei.

- Ich dachte, die Evolution würde niemals enden.

- Also ja, richtig. Sie ist zu Ende.

- Ah!

 

Das klingt vielleicht albern, aber es ist wichtig, denn sonst werden wir immer mit: „Es war einmal, und diese Geschichte ist zu Ende“ herumlaufen. Und wenn wir uns verändern, weiterentwickeln, anpassen müssen, dann wird die Stimme von Jiminy Cricket auftauchen und sagen: „Es war einmal, und diese Geschichte ist zu Ende. Du bist nicht gut genug für dies, Du bist nicht gut genug für das, Du bist nicht gut genug für jenes... Du bist nur gut genug für dies. Und das war's dann.”

 

Der Betende Ruf flüstert uns zu, dass wir für einen Augenblick zum Gebet werden sollen. Er flüstert uns zu, dass wir für einen Augenblick Überzeugung werden sollen. Er flüstert uns zu, dass wir in einem Augenblick oder für einen Augenblick Entwicklung sein sollen. Er flüstert uns zu, dass wir in einem Augenblick… Zeugen der Liebe sein sollen.

„Zeugen der Liebe“.

 

 

***

 


[1] Das Konzert „Grace for the World” mit Karol G.