49.24 Der Abgrund
BETENDER RUF
Heute wird das Beten zum Strudel in Bezug auf „den Abgrund“ (span. „El precipicio“).
Die Ereignisse beschleunigen sich (span. „se precipitan“), aber... nicht zu neuen Ausmaßen, sondern zu widersprüchlichen Konfrontationen.
Drei Weltkonferenzen bezüglich Armut und Hunger, über die biologische Vielfalt und – in jüngster Zeit – über den Klimawandel, haben uns einen Abgrund vor Augen geführt, der sich an die etablierten Kriterien klammert, an die Vorherrschaft der Mächte, an die Almosen, die man denjenigen gibt, die auf der Strecke geblieben sind.
Als Menschheit sind – einmal mehr – die großen Bewegungen mit großen Mächten... nicht die Lösung. Und sie preschen vor (span. „precipitan“) und bilden Rückstände, werden durch die Schaffung von Verschwendung – mehr noch – durch diesen Stil und durch diese Haltung, die Zeichen zu interpretieren, die Bedürfnisse zu interpretieren, Antworten zu geben... – Antworten, die befreien, Haltungen, die stärken.
Aber es ist wahr, dass sich der Abgrund unter dem Betenden Sinn auch in „den Anfang" verwandeln kann: der Anfang einer modulierten Antwort hin zu einer Transformation, hin zu einer Haltung des Mysteriums. Ja, ein wirksames Mysterium…, in dem die Zuneigungen überwiegen, in dem die Fehler aufhören, die Protagonisten zu sein...
Denn wenn wir uns ausschließlich mit den Fehlern – unseren eigenen und denen der anderen – beschäftigen, wird es keinen Anfang, keinen Neuanfang geben.
Wenn sich die Lebenseinhaltung weiter dem Abgrund nähert, wird sie sich zweifellos einer Ebene der Autolyse, einer unlösbaren Weltflucht, einer Rückkehr, „dasselbe“ neu zu beginnen, annähern.
Deswegen, abgesehen von dem Übereilten und dem Beängstigendem, was ein Dasein am Abgrund sein kann, ist es auch der Moment der Umkehrbarkeit, der Umwandlung.
(3 min. Stille)
Der Überstürzung (span. ‚la precipitación‘) des Abgrunds (span. „precipicio“) ertränkt uns mit Vorurteilen, Verurteilungen und anderen Strafen, die das Wesen seinem Gewissen, seinen Kriterien auferlegt – oder aufzwingt! –...
Die Unschuldsvermutung ist ein Ding der Vergangenheit....
Und so wie in einem anderen Gebet zu hören war: „Alle sind unschuldig".
Das Gefühl der Schuld, das Gefühl der Bestrafung, das Gefühl der Verletzung wird auf der Grundlage von Positionen der persönlichen Wichtigkeit, auf der Grundlage von Positionen der Dominanz, auf der Grundlage von Positionen der „Wahrheit" etabliert....
Und all dies verbreitet sich wie eine Seuche.
Es ist der Stil. Es ist die Form.
Die einen martern andere, andere lernen zu martern, andere werden zu Märtyrern, andere fühlen sich gemartert... und so weiter und so fort, ein Rad, das ständig auf sich selbst trifft.
(2:30 min. Stille)
Und wenn wir nach Schuld rufen, brauchen wir Schuldige, und wir fühlen uns verletzt, sehr verletzt! Und wir fordern Gerechtigkeit... und wir fordern Bestrafung.
Und mit ihnen (den Schuldigen) schaffen wir Umgebungen und ein verheimlichendes Zusammenleben, welche nicht ihrer Positionen entgegentreten.
Und wenn sie es tun, dann mit Gewalt.
Und so kommt man zum Abgrund, aus dem es scheinbar „keinen Ausweg" gibt... wo die Flucht die beste Lösung ist.
Genau das, was uns erlaubt, zu wiederholen.
Und so kommt es, dass die Geschichten der Menschheiten und die persönlichen Geschichten ein und dasselbe werden und... sie werden hinfällig.
Sie werden ermüdend... und nehmen keine neuen Horizonte wahr.
Und je näher sie ihnen sind, desto weniger sehen sie sie, denn der Kummer von diesem, dem andere oder jenen sind schwerwiegender.
Oh, wenn wir noch einmal dort, wo man ist, anfangen könnte, indem sich diese neuen Horizonte mit einer Gelassenheit ohne Schuldgefühle abzeichnen, ohne... ohne Vorurteile über Quantität oder Qualität.
(3 min. Stille)
Der Gebetsruf im Abgrund, vom Abgrund aus, ruft uns zum Anfang auf...
Zu dieser Regeneration, zu dieser Rückkehr zum Anfang, um dieses Neugeboren werden (span.: ‚ama-necer‘) zu fördern.
Ja, es ist wahr, wenn man sich in dem Leid des Krieges, der Armut, des Hungers, des alltäglichen Ereignisses befindet, dann scheint jeder Vorschlag... wir sagen nicht optimistisch, aber schon als Offenbarung und als Rebellion(!) angesichts dessen, was hastig auf den Abgrund (span. „precipicio“) zusteuert... – nicht den der Befreiung, sondern des Aufgebens – ja, er scheint leeres Gerede zu sein.
Klar, die harten Worte, die Worte der Vertreibung, des Unheils, der Bitterkeit, der... sie haben sich gefüllt. Und aus diesem Grund scheint jeder Funkes einer neuen Morgenröte, einer neuen Version des Lichts, eine Chimäre zu sein.
Aber es ist gerade im Betenden Ruf, wo wir die Möglichkeit haben, diesen anderen Tagesanbrüchen (span.: ‚amaneceres‘) Inhalt zu geben, sie mit Sinn zu füllen....
Nicht sie nehmen und sie zum vernünftigen Moment bringen, da dieser bereits „gezackt", erblindet ist....
Indem wir das Immaterielle, das Hoffnungsvolle, das Erneuernde, das Rückläufige zum Ursprung hin mit Inhalt füllen... wird das, was uns angetan wird, was getan wird, was geschieht, nicht zu einem Grund zur Sorge.
(3 min. Stille)
Der Stil des Daseins sind hastig.
Vorschnell zu sein ist die schlechte Tat.
Daher ist die Einstimmung auf den Abgrund (span. „El precipicio“) in der Begegnung mit dem Göttlichen durch die Erfahrung der Liebe, die ergrünende Wiedergeburt (span.: reverdecer-renacer‘), die Umkehr des Wesens.
Der Verzicht auf meine Gründe zugunsten meiner Empfindungen, meiner Liebesempfindungen.
Und es ist die Natur eines jeden Wesens in seiner Güte, die es ermöglicht, dass sich persönliche, gruppenbezogene und Muster der Menschheit ändern.
Manchmal scheinen diese inneren Unruhen der eingedämmten Treffen, bei denen es um die Lösung großer Probleme geht, weit weg zu sein. Und nein, sie sind nicht weit weg. Sie sind in jedem von uns.
Und man sucht die Gemeinschaft auf der Basis der Güte, die jeder einzelne hat. Aber der possessive Sinn, der ehrgeizige Sinn, der Herrschaftssinn wiegen mehr....
Und so gibt es Gewinner und Verlierer. Und die Verlierer klammern sich an die Rache... um zu Gewinnern zu werden. Die schlimmste Ressource.
Vermutung und Unschuldsvermutung als lebensfähige und nicht konfrontierbare Haltung... in jenem alltäglichen Dasein... das es ermöglicht, in anderen Dimensionen zu gedeihen.
Ja.
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