04.25 Anspielungen

 

BETENDER RUF

 

Und jeder Betende Ruf verwandelt sich in eine Warnung, zu einem Bescheid, zu einer Anregung, damit sich der Betende angesprochen fühlt.

Und so ist es, in dem Maße, wie sich der Betende angesprochen fühlt, korrigiert er sich, verändert er sich, modifiziert er sich, positioniert er sich in seinem Dasein, in seinem Tun und vor allem in seinem Bewusstsein als Bewohner des Universums, dass er, was auch immer geschieht, sich angesprochen fühlt, weil er Teil einer Einheit bildet, auch wenn er sich für unabhängig oder individuell erklärt.

 

Und so ist es, dass wir in dem Maße, wie wir uns angesprochen fühlen,  vermeiden, dass man uns Vorwürfe macht, dass man von uns verlangt, dass man von uns fordert, dass man uns zwingt.

 

Jeder Mensch fühlt sich wegen etwas angesprochen, was es noch nicht erfüllt hat. Und es geht nicht darum, ob die Anspielung groß oder klein ist, sondern die Offensichtlichkeit, dass sie denjenigen, der sich angesprochen fühlt, ohne Ressourcen lässt. Und folglich tritt sein Gemüt, sein bewaffnetes Bewusstsein, ins Soll, es tritt ein in die Verschuldung.

Und es häufen und häufen sich unbeachtete Anspielungen und kontrahierte Schulden an…, die später Unbehagen, Diskussion, schlechte Laune –und ein langes und so weiter und sofort– hervorrufen, von denen dann häufig gesagt wird, dass man nicht weiß, warum.

 

Angesichts der Entwicklung, des Verlaufs, den die menschliche Lebendmaterie macht, fühlen wir uns alle angesprochen. Und man fordert von uns ein Zeugnis der Klarheit, ein Verhalten der Transparenz, ein Verhalten der Ehrlichkeit.

Die gutherzigen Lügen (span.: ‚mentiras piadosas‘)[1]..., um die herum es viel Aktivität gibt, aber man kann sie selbst sehr leicht auseinandernehmen, wenn man erkennt, wenn man sich bewusstwird, dass eine Lüge nicht gutherzig sein kann… genauso wie das Wasser nicht Wein sein kann –außer beim Wunder–- oder Wein nicht Wasser sein kann  –außer beim Wunder.

 

Und die betende Warnung kommt wegen dieses rechtfertigenden Verstandes: der sich ausScham, ausSchüchternheit, ausAngst, aus... einem langen und so weiter und sofort der gutherzigen Lügen (span.: ‚mentiras piadosas‘)[2] rechtfertigt.

 Und die Anspielung (span.: ‚alusión‘), wenn wir sie annehmen und auf sie reagieren, versetzt uns in die Bereiche der Illusion: in jene, in denen uns das Projekt begeistert, die Idee; in jene (Bereiche), in denen wir uns in dem widergespiegelt sehen, was verstreicht, und wir sehen uns interagieren und wir sehen uns als voneinander abhängig.

Und es ist kein Illusionismus der Tricks, es ist ein Illusionismus der Berufung, der Ethik.

Sich erwacht zu fühlen in dem Berufenden, welches wahrscheinlich „das Programm" ist, das SIE uns gegeben haben, um dorthin zu gelangen, wo wir sind, und um uns auf der Grundlage der uns gegebenen Talente auszuüben.

Und natürlich, wenn wir uns nicht angesprochen fühlen, dann werden diese Talente, diese Fähigkeiten, diese Ideale, diese Projekte, lauwarm, sie werden zahm, ohne Leidenschaft!

Und das Wesen wird auseichend, scheinbar, unentschlossen?

Das zu bezeugen, was man ist, unabhängig wie die Bedingung sein möge,  bedeutet, sich in dem Umfeld, in dem man sich befindet, angesprochen zu fühlen. Und auf diese Weise das beizutragen, was jedem einzelnen entspricht, damit die Einheit gestärkt wird, damit das Ideal sich vergrößert, damit die Begeisterung eine Referenz sei.

 

Diese Position – „durch Anspielungen" – muss immer wach sein, denn ein Detail... ein Detail zersetzt die Figur; ein Detail verunstaltet die Schönheit; ein Detail kann die Zukunft verderben. „Ein Detail". Und es sind Milliarden von Details, die in jedem Wesen zusammenlaufen, damit wir bezeugen können, was wir sind.

Von daher die Wachsamkeit, welche uns der Betende Ruf gibt, damit wir nicht in Trägheit oder Selbstgefälligkeit oder einer „äußersten Übermäßigkeit" des Anscheins… verstreichen.

Die Bescheidenheit muss das Bewusstsein eines wachen und sich angesprochen fühlenden Daseins sein. Und auf diese Weise müssen die Rechtfertigungen das Leben nicht justizialisieren.

 

Die Anspielungen sind Zeichen der Einheit, die sich zeigen, ohne mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, damit sich jeder Einzelne sehen kann und sich in seiner Intimität wieder zusammensetzt.

 

Zu leben darf sich nicht eine permanente Verschuldung verwandeln, die als Konsequenz der Anspielungen entsteht, von denen man sich nicht angesprochen fühlt.

Zu leben, sagt uns das Schöpfer Mysterium – oder ist es etwa nicht so(?) – ist „in Bar“. Jeder Herzschlag kommt zur richtigen Zeit; er wird nicht verzögert. Jede Einatmung ist präzise; sie kommt weder vorher noch nachher. Jede kleine Substanz, jedes Detail eines Partikels – Koenzym, Gen oder... reduzieren Sie es auf was Sie es auch immer wollen –- ist pünktlich, es ist... in Bar. Es sagt nicht, dass man warten muss. Die Einatmung fühlt sich angesprochen, um zu wissen, dass man dann ausatmen muss. Genau wie die Systole und die Diastole. Genauso wie sich der erste Schritt ergibt und das andere Bein folgt.

Andererseits, wenn das nicht der Fall ist, hinken wir, sehen wir nicht, horchen wir nicht, sind wir traurig, stagnieren wir.

 

Wenn unser Dasein „in Bar“ ist, nehmen wir mit Präzision Kontakt zueinander auf, wir passen uns mit Eleganz an, wir leben mit Bewunderung der eine dem anderen gegenüber zusammen. Wenn das nicht so ist, wird das Teilen gewunden, ausweichend und zweifelhaft!

Und es gipfelt darin, eine  Täuschung zu sein.

Und aus Täuschung wird Verheimlichen, und aus Verheimlichen wird Verrat.

Da kann man mal sehen, mit welcher Geschwindigkeit ein Detail sich verwandelt und verwandeln wird.

 

Die unendlich vielen Komponenten, die uns unser Charakter, unsere Form, unser Dasein geben, sind immer bereit, Zeugnis abzulegen. Sie sind dafür entworfen und vorbereitet. Aber ja, es kommt sicherlich vor, dass im Laufe „dieser Zeiten"  – würden wir sagen – die Eitelkeit, der Hochmut, der Stolz, persönliche Wichtigkeit, sich nicht um das kümmern, was man ist, sondern man nach dem strebt, was man nicht ist...; Positionen einzunehmen, die nicht entsprechen. Wodurch man mit anderen Realitäten, mit anderen Projekten in Konflikt tritt.

 

 

Die Bestrebungen der Angebote werden zu Forderungen, und die einen und die anderen suchen einander. Und das Wesen quillt über... und es wird zum Konsumenten von Pantoffeln, von diesen Parfüms, von diesen anderen Ämtern oder Stellungen, von diesen privilegierten Positionen.

Unersättlich.

Von daher spielt die Bescheidenheit eine wichtige Rolle.

Denn, ja, es mag jetzt wie ein großes Wort erscheinen, „unersättlich", das nur den Reichen oder den Mächtigen zu gehören scheint. Nein! Nein. Es ist ein Wort, das allen gehört, das uns alle verführt.

Es ist das Wort, das dann zu den „Abers" führt: „Ja, aber ich hätte gerne andere...". „Ja, aber ich hätte gerne mehr...". „Nein, es ist nur so... Aber wenn es so sein könnte...". Und so auf unbestimmte Zeit. Wodurch ein permanent unzufriedenes Wesen entsteht.

Welch ein Schmerz!

Ja, es ist ein chronischer Schmerz, die Sehnsucht nach dem Unersättlichen, was dadurch entsteht, dass wir uns nicht an die Anspielungen halten, die uns entsprechen.

Es erzeugt dieses Unbehagen... in einem selbst und gegenüber der Umgebung, egal welche Position man einnimmt. In manchen Fällen wird es für pompöser gehalten, in anderen nicht, aber... am Ende ist es Schmerz, der unersättliche Ehrgeiz. Eine ständige Unzufriedenheit, mit einem „aber" zu jeder Situation.

Und es könnte nützlich sein, sich an das Motto zu erinnern, das uns begleitet: Zuvorkommende, kreative Anpassung.

 

(2 Min. der Stille)

 

Und so können wir in dieser Anpassung, mit dem Detail der Demut, ohne unersättlichen Ehrgeiz, in unseren Idealen, in unseren Projekten kreativ werden, welche die sind, die aufgrund unserer Natur und des Projekts der Schöpfung mit Ressourcen ausgestattet sind.

Und das führt unweigerlich zur Zuvorkommenheit. Denn man befindet sich an dem Ort, wo man sein sollte und auf die Weise, wie man an dem Ort sein muss.

 

Denn es ist wahr, dass man an einem Ort sein kann, aber man nicht weiß, wie man sich dort benehmen soll.

Es ist wie der alte Witz über den Menschen, der zu einer Beerdigung geht, bei der die Wache für einen Verstorbenen abgehalten wird, und dann kommt derjenige, der sein Beileid aussprechen will. Und, ja, er ist da, es ist der Ort, weil er kennt, weil er (die Person) kannte... Und anstatt sich mit dem, was da ist und was es gibt, zu verbinden, bläst er die Kerzen aus und singt „Happy Birthday". Es erinnerte ihn an seine Geburtstage. Ja, er ist dort, wo er sein sollte (span.: ‚… donde debe de estar‘), aber nicht wie er sich benehmen sollte (span.: ‚‘… cómo debería estar‘). Das kann man sich leicht vorstellen. Ich glaube nicht, dass es den Verstorbenen nicht kümmert, aber die anderen schon.

 

Sich zu benehmen  wissen (span.: ‚saber estar‘) bringt die Kunst zu horchen, zu sehen mit sich und sich zu trauen, eine Meinung zu äußern, ohne Angst.

Sich zu benehmen zu wissen bedeutet… in den Momenten, in denen andere sich äußern, zu schweigen.

Sich zu benehmen zu wissen, bedeutet Respekt vor allem!

Und das kann wie eine Besessenheit erscheinen, und alles, was wir gehört haben, kann unsere ganze Zeit in Anspruch nehmen, und wir enden obsessiv und zwanghaft, indem wir uns fragen, ob wir noch etwas zu erledigen haben oder nicht. Nein, nein, nein, nein, nein. Das ist eine Falle der Vernunft.

Nein, nein. Unser Design ist perfekt geformt und konfiguriert, um ein Modell der Tugend zu sein...; nicht ein Modell der Reparaturen, der Pfuscharbeit... „Na gut, es geht so, es geht so“, (Ein Modell) das nicht anspringt, sich nicht positioniert.

Und deswegen, wenn der Betende Ruf uns zur Tugend, zur Ausübung unserer Güte aufruft, kann es uns so vorkommen, dass dieses Verlangen nach Gutmütigkeit zu einer Besessenheit wird, dieses sich zu benehmen zu wissen (span.: ‚saber estar‘) zur Besessenheit wird. Nein. Das ist einem angeboren. Es ist nur so, dass es verstümmelt wurde, dass es misshandelt wurde, dass es verfolgt wurde, dass es... verändert wurde!

Und dann mag das Bemühen, sich zu benehmen zu wissen (span.: ‚saber estar‘), zu sein (span.: ‚ser‘) und sich zu entwickeln als eine unmögliche Mission erscheinen. Und doch ist es genau die, welche am ehesten möglich ist, weil es diejenige ist, die sich mit den Ressourcen, die wir haben, mit den Gaben, die uns gegeben sind, bildet.

 

(2 Min. Stille)

 

Die Annehmlichkeiten, die Komfortzonen, das ständige Streben danach zu haben, zu besitzen, zu dominieren, zu kontrollieren... sind Aspekte, die uns von unserer tugendhaften Statur trennen.

Das sind Trends, die  – wie der Volksmund sagt – „die Welt von uns verlangt.“ Aber wer ist die Welt?

Die Welt endet damit, all die Verzweiflungen und die Sehnsüchte zu sein, weil man nicht das erreichen kann, was man will, es nicht kontrollieren, beherrschen oder besitzen zu können.

Klar, und unter diesen Umständen ist Tugendhaftigkeit wie eine Everest-Besteigung: Freundlichkeit, Höflichkeit, Korrektheit, das „Benehmen, sich am Platz zu befinden.“ Denn wir sind dafür dotiert, aber es widerspricht der Forderung und den Angeboten.

Und das ist es, wo sich das Wesen verliert.

Und es scheint, als gäbe es keinen Weg. Und es scheint, als gäbe es keinen Raum, keine Zeit.

Und nein. Jedes Wesen, das sich im Leben präsentiert, basiert auf einer Notwendigkeit des Schöpfer Mysteriums und der Dynamik des eigenen Lebens.

Nichts ist überflüssig.

 

Sich in die Anspielungen zu vertiefen, die uns respektvoll umwerben. Und mit ihnen lernen, die aufrichtige Position zu entwickeln, jene, die uns einer praktischen, geselligen Bescheidenheit würdig macht..., die aufhört, sich zu rechtfertigen und aufhört, jeder Situation ein „aber" hinzuzufügen, um nach dieser zuvorkommenden und kreativen Anpassung zu suchen.  Die, die es uns ermöglicht zu wissen, uns am angemessenen Ort zu befinden (span.: ‚estar en el lugar adecuado‘), aber mit dem angemessenen Verhalten.

 

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[1] Wird auch mit ‚Notlüge‘ übersetzt

[2] Notlügen

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