
03.25 Gott ist ein ewiges Lächeln
GEBETSAUFRUF
Die so genannte „Evolution" – Evolution der Macht – hat es als Spezies Menschheit, als menschliche Lebendmaterie, geschafft, dass sich jedes Wesen zum Herrscher über seine Ideen, Schlussfolgerungen, Spekulationen, Erklärungen aufschwingt.
Wir erinnern uns an den Mythos – oder die Geschichte – des berühmten Turmbaus zu Babel, in dem die Menschen als Menschheit versuchten, einen Turm zu bauen, der bis zum Himmel, zum Göttlichen reichen sollte. Und als Folge davon zerstörte das Göttliche diesen Turm und es entstanden die verschiedenen Sprachen. Und davon, dass die einen die anderen verstanden, gingen sie dazu über, sich völlig voneinander abzuwenden.
Also das ist die Position, die wir jetzt – hauptsächlich – miteinander teilen müssen, wie wir zusammenleben müssen. Jene, in der jeder von uns souverän und wahrhaftig ist.
Und da jedes Wesen durch seine Erhabenheit geschützt ist, versucht es – natürlich – zu überzeugen, durchzusetzen... Das ist der natürliche Ausdruck der Macht, der Herrschaft der Vernunft und der Interpretation von Tatsachen.
Das ist natürlich nicht förderlich für die „gemeinsame" Arbeit, weil es sehr schwierig sein wird, sich einig zu werden.
Der so genannte „gesunde Menschenverstand" ist heute fast unmöglich. „Fast". Weil sich jeder mit seiner Macht in seinem Fühlen und seiner eigenen Vernunft abschirmt, und... miteinander zu teilen, in Einklang zu bringen, gut miteinander auszukommen, wird besonders schwierig. Aber gleichzeitig haben wir aufgrund der Natur, die den Menschen schmückt, das Bedürfnis, unser soziales Wesen auszudrücken. Und so entstehen Fraktionen, Fraktionen, die bestimmte Standpunkte teilen, diese aber anderen gegenüberstellen müssen.
Eine weitere Replik des Individuums gegen Individuum.
Der Individualismus, der die Verteilung der Macht hervorbringt, macht ein gemeinsames Projekt immer unrentabler.
Es gibt diesen Punkt... des Missfallens, der Unstimmigkeit angesichts jedweder Referenz.
Wenn es in einer anderen Zeit – oder Zeiten – Referenzen gab, die als „Orientierungshilfe" dienten, so ist das heute zu schwach.
Es mag Momente der Begeisterung oder Momente der Verherrlichung gegenüber verschiedenen Referenzen geben, aber sofort werden der Konkurrenzkampf, der Vergleich, die Diskussion kommen.
All dies wird in das Produkt der Wünsche münden. Und jeder einzelne, ob als Teilchen oder als Individuen, will – als Besitzer, als Eigentümer – dieses, jenes oder das andere.
Und so ist es, wie die Liebe verkümmert, die ständig der Kritik, der Absicht, dem Standpunkt, dem Kommentar, der Meinung ausgesetzt ist...
Der Betende Ruf versetzt uns in dieser jetzigen Zeit in die Vision des Daseins, des Handelns, dass offensichtlich – wenn man das akzeptieren kann – in dem Maße, in dem die Liebe verkümmert, der Bezug des Menschen, des menschlichen Wesens zum Schöpfer Mysterium so zaghaft(!), so kraftlos ist... – wenn man das akzeptieren kann –, dass es schwierig wird, das tägliche Wunder, den täglichen Zauber, den unvorhersehbaren Umstand, die notwendige Gelegenheit zu deuten...
(2:30 Min. der Stille)
Und unter dem Einfluss dieser individuellen Macht erzeugt sich eine Tendenz – wir sagen im Moment „Tendenz" –, jeden Prozess, jede Leistung, jedwedes Verhalten unter dem Prisma des Scheiterns, unter dem Prisma des Irrtums zu betrachten, unter dem Prisma, dass: „Da es nicht meins ist, da es nicht zu mir gehört, kann es weder gut noch ausgezeichnet sein – weniger noch – weder fähig noch ausreichend.“
Und so wird der Defätismus[1], der Eskapismus[2], der ‚Illusionismus‘, falls es ihn je gab, vergehen und aufgelöst.
Und von daher schaffen es die Begeisterung, das Feiern, das… nicht. Sie schaffen es nicht. Immer... – was für ein schreckliches Wort! – immer taucht ein Fehler auf. Unter diesen Prismen zu betrachten, wird jedwede Situation, jedwedes Element gemäß der Macht eines jeden einzelnen, einen Fehler haben: es fehlt an Würze, es hat zu viel Farbe, es klingt nicht so, wie es sollte, denn eine niedrigere Stufe wäre besser…
Es wird allgemein gesagt, dass es Meinungen für jeden Geschmack gibt. Nein. Jedes Wesen hat einen Geschmack und eine Meinung. Der Punkt ist, dass er (Meinungen) der anderen weder anhört noch begreift noch annimmt, sondern seine eigenen Mechanismen als einzigartig und gültig auferlegt und unterstellt. Und irgendeine Erwartung der anderen mag vielleicht einmal Begeisterung auslösen, aber sofort kommt diese defätistische Stimmung auf. Sie sagt: „Nein, das kann nicht stimmen.“ Und in der Tat, man stülpt ihm ein Klischee über, man stülpt ihm ein Protokoll über, und es (das Wesen) erfüllt sie nicht. Es erfüllt sie nicht!
- Stell Dir vor, er sagte, dass er Milchreis mag, und eines Tages sah ich ihn, eines Tages sah ich ihn Brot mit Butter essen. Sieh nur, sieh nur: Lügner, Satrap[3], Lügner".
- Aber... aber warte, warte, warte, warte, warte. Er mag immer noch Milchreis. Aber an diesem Tag, an diesem Unheil bringenden Tag kam es ihm in den Sinn... oder es ergaben sich die Umstände, ein Stück Toast mit Butter zu essen.
Du bist mit dem gesamten Team durchgefallen.
Ja, im Gebet erscheint häufig der übertriebene Ton, um das deutlicher zu machen. Danach wird jeder seine eigenen Reduzierungen vornehmen, aber immer – wieder das Wort – wird das Problem, der Fleck, erscheinen, die...
Dieser „triumphalistische Defätismus"... –- ja, das scheint ein Widerspruch zu sein, ist es aber nicht: es ist Defätismus gegenüber der Umwelt, und triumphalistisch, was meine Person betrifft – dieser triumphalistische Defätismus steht in keinem Einklang mit irgendeiner spirituellen Strömung, außer jener, die ihn kompensiert, die ihm als Identität oder Stütze für das dient, was jeder einzelne denkt, wie es sein sollte.
Und so verhalten sich die Gesellschaften mit einer... einer latenten Streitlust. Sie schaffen es nicht, sich mit Sorgfalt zu öffnen und sich mit Sorgfalt zu entdecken. Es gibt Befürchtungen, es gibt Vorurteile, es gibt Urteile, es gibt Verurteilungen.
Und die Fortschritte, wenn sie denn dann eintreten, sind wahrhaft wundersam.
Der Betende Ruf stellt uns in einen Zusammenhang, der zumindest eine – kurze – Reflexion wert ist, die wahrscheinlich die sein wird: „Ich bin nicht einverstanden“, aber... etwas ist etwas! Selbst sich erneut in der Macht „meiner Version" und „meines Gesichtspunktes" und „meiner Analyse" zu bestätigen, kann ein Totem und eine Selbstbewunderung schaffen... was vielleicht schon ausreichend ist.
Und so kann es passieren, dass man äußerst erfreut ist, sich kennengelernt zu haben... oder aber man dehnt sein Wissen aus und erweckt Bewunderung als Bezugspunkt.
Ja, so funktionieren Wissenschaft, Politik, Philosophie und Religion: die großen „Monumente" der Macht, die ihre Positionen auf allen Ebenen ausbauen konnten.
Die offenbarende Idee einer kreativen, zuvorkommenden Anpassung... wird viele Unannehmlichkeiten mit sich bringen, wenn man sie ausübt.
Um erneut auf das Sprichwort zurückzukommen: „Es regnet nie nach jedermanns Geschmack", könnte man auch sagen: „nach niemandes Geschmack.“
Ja, wir haben absolutistische Momente einer ständigen Verurteilung all dessen erreicht, was nicht das Eigene ist. Und die Pakte, Versprechen, Projekte usw., die es vielleicht gemeinsam gibt, werden ständig geschwächt, ständig unter Verdacht gestellt.
Zu glauben wird zu einer Heldentat... und kann sich sehr leicht in einen Verrat verwandeln.
(9 Min. Stille)
Alles scheint darauf hinzudeuten, dass die Spezies Leben eine besondere Verpflichtung hat, ihre Projekte zu verfolgen... die sie nicht unbedingt kennen muss – manche ja und manche nicht. Und trotz aller Schwierigkeiten, die sich bilden – vor allem durch die menschliche Lebendmaterie – ist der Einsatz der Spezies Leben klar: sie passt sich an, schließt Bündnisse, sie respektieren einander, sie passen sich an, um ihre besten Versionen ausüben zu können, so wie die Blume mit ihrem Duft und ihrem Design, so wie der Delphin in seinem Sprung und seinem Spiel.
Das könnte uns dazu bringen, über unsere Haltung als dominante, beherrschende, besitzende, verwaltende, manipulierende Spezies nachzudenken.
Ja, es ist eine verstandesmäßig logische Ressource, die vielleicht nicht sehr operativ ist. Aber... unter Berufung auf unsere angeborene Güte als Folge von Botschaftern des Mysteriums, sollten wir nicht mit der Botschaft verbleiben, die wir tragen und sie dann mächtig, dominant und unnachgiebig machen, sondern wir sollten die Botschaft zu den Empfängern bringen.
Die Aufgabe des Postboten besteht darin, die Nachricht dem zu überbringen, für den sie bestimmt ist. Er kann die Nachrichten nicht aufbewahren und sie sammeln.
Es ist noch mehr, er ist der Träger „guter Nachrichten" oder „anderer guter Nachrichten" oder „seltener guter Nachrichten", aber „guter Nachrichten", denn er trägt, transportiert, bringt... Intentionen von anderen Vorstellungskräften, Nachrichten...
Nun ja, jedes Wesen der Menschheit, als Bote, kann diese Botschaft nicht aufgreifen und sie in seinem Hedonismus verabsolutieren.
Er muss es schaffen, das diese zum Empfänger kommt, und zwar auf der Grundlage der Liebe, mit der man ihm diesen Auftrag übergeben hat.
Der Gebetsruf schlägt vor, dass wir ein Erbarmen über uns selbst ausüben, um den Individualismus zu mildern, der sich in die Identität eines jeden Wesens verwandelt hat, aber nicht in die Aufbürdung eines jeden Wesens.
Trotz des Risikos, bei Gelegenheit oder bei mehreren Gelegenheiten ein Toast mit Butter zu essen, wenn Du gelobt hast und sagst, dass das Beste Milchreis sei.
Der Betende Ruf sagt uns: „Gott ist ein ewiges Lächeln".
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[1] Schwarzmalerei
[2] Realitätsflucht oder Weltflucht
[3] Ein Satrap fungierte als Vizekönig des Königs, verfügte jedoch über beträchtliche Autonomie. Das Wort suggerierte Tyrannei oder protzige Pracht, und seine moderne Verwendung ist abwertend und bezieht sich auf jeden untergeordneten oder lokalen Herrscher, normalerweise mit der ungünstigen Konnotation von Korruption.